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Die Krickenbecker Seen

In der Regel starte ich meine Seen-Radrundfahrt an der Jugendherberge in Hinsbeck. Von dort aus führt mich mein Weg am sehenswerten Amandusbrunnen vorbei zum Aussichtsturm auf dem Taubenberg, der mitten im Wald steht, aber auf Grund seiner Höhe von knapp 30 Metern über die Baumkronen hinausragt. Der Holzfachwerk-Turm aus den 70er Jahren war nach der Renovierung 2005 plötzlich doppelt so hoch und so kann man von ganz oben einen grandiosen Rundumblick über die Hinsbecker Höhen und die dazugehörigen, umliegenden Seen genießen. Für Menschen mit Höhenangst ist der Aufstieg schon etwas abenteuerlich, aber von den Vögeln und Eichhörnchen, denen man unerwartet auf Augenhöhe begegnet, kann man sich prima ablenken lassen. Ab der ersten Hälfte, versehen mit breiten Holzstufen, führt eine Stahlspindeltreppe zur neuen Aussichtsplattform. Sehr hilfreich ist, dass es links und rechts der Treppe zwei Handläufe gibt. So kann man beidhändig gesichert den zweiten Teil des Aufstiegs locker bewältigen, auch wenn man nicht besonders fit oder geschickt ist. Ich war schon ein paar Mal dort oben, als es ordentlich stürmte. Dann bewegt sich der ganze Turm schwungvoll hin und her. Auf diese abenteuerliche Weise habe ich meine Höhenangst tatsächlich ganz gut in den Griff bekommen. Auf der oberen Plattform zeugen viele gemalte Herzen mit Kombinationen aus Buchstaben und Pluszeichen oder kleine Pappröllchen vom Treiben der Landjugend in mondlichtdurchfluteten, warmen Sommernächten. Wenn man nicht auf knutschende und kiffende Teenager steht oder diesen einfach ein wenig Raum für ihre Vergnügungen überlassen mag, sollte man also besser nicht an einem Freitag- oder Samstagabend hochklettern.

 

Danach geht es auf einem Weg mit Namen Hombergen bergab Richtung Hinsbecker Bruch. Kurz vor dem Ziel lohnt ein kleiner Abstecher zum Textil und Spinnerei Museum „Die Scheune“, zumindest für Menschen, die sich für Spinner und Stoff interessieren. Am Ufer des Hinsbecker Bruchs befindet sich hinter dem Parkplatz, der ein guter Ausgangspunkt für Menschen ist, die weniger gut beweglich sind, das Infozentrum der Biologischen Station Krickenbecker Seen. Es informiert über die Geologie des Nettetals, die heimische Tier- und Pflanzenwelt und über die Arbeit der Biologischen Station. Der Eintritt ist frei, das Infozentrum weitgehend barrierefrei gestaltet. Die Straße zwischen den beiden Seen Hinsbecker und Glabbacher Bruch ist schon lange für den Autoverkehr gesperrt und so kann man sich mittlerweile elegant und barrierefrei in Richtung Schloss Krickenbeck bewegen. Zu beiden Uferseiten laden immer wieder kleine Buchten zum Verweilen und Kühlen der Füße ein. An der Stelle, welche die Verbindung der beiden Seen überbrückt, steht eine riesige, alte Trauerweide. Ich bin zwar Atheist, aber diese Stelle ist schon ein magischer Ort und gerade bei Sonnenuntergang brutal romantisch. Fährt man weiter, entdeckt man rechter Hand das Schloss Krickenbeck. 1986 stoppte die WestLB den fortschreitenden Verfall, renovierte das Bauwerk aus der Mitte des 13. Jahrhunderts und machte eine Ausbildungsakademie daraus. Das Schloss steht jetzt proper da, die Bank ging allerdings vor die Hunde. Heute wird das Schloss als Seminarhaus vermarktet.

- Kleiner Exkurs für Cineasten: 1977 wurde das Schloss als Kulisse für den zweiteiligen Fernsehfilm „Die Vorstadtkrokodile“ verwendet, dort wurde die Schulfest-Szene gedreht. Die Straßenszenen mit den Wohnhäusern wurden in Brüggen und Bracht aufgenommen. Dort wurde die Schillerstraße zur „Silberstraße“ in der „Papageiensiedlung“. Das Baumhaus der Bande stand am Pastors Weiher im Brachter Wald, der Minigolfplatz befindet sich am Hariksee. Die Ziegelei, deren Abriss im Film zu sehen ist, stand an der Brachter Stiegstraße am Katers Feld. Das alte Polizeirevier in Kaldenkirchen diente der Wache im Film als Vorlage. -

Das Schloss lasse ich rechter Hand hinter mir und bevor ich Richtung Poelvennsee abbiege, fahre ich erst mal ein paar Meter weiter geradeaus und an der B 221 nach rechts. Der Abstecher führt zum Rundweg „Ehemaliger Fliegerhorst Venlo“. Links von der Geldrischen- bzw. Louisenburger Straße kann man nach einigen hundert Metern einen außergewöhnlichen Ort entdecken. Dort steht das rostige Stahlgerüst eines Rundbogenhangars und die Überreste einer Wärmehalle, in der während des 2. Weltkriegs deutsche Kampfflugzeuge repariert und gewartet wurden. Das Gerippe des Rundbogenhangars ist schon etwas gruselig. Ein Mahnmal der Stille mitten in der Venloer Heide. Wenn ich darin stehe, habe ich immer das Gefühl mich im Skelett eines Dinosauriers zu befinden. 

Als ich einmal staunend in der Halle stand kam ein durchaus kauzig wirkender, natürlich unbehelmter Einheimischer auf seinem Mofa angeknattert. Er parkte seinen heißen Ofen am Rand der Ruine, um dann zielsicher unter den Bäumen Dinge aufzusammeln. Wolfgang, so ein Name, sammelte dort im Herbst immer Pilze. Sein Tun beschrieb er zu meiner Freude so: „Isch wohn hier nisch weit von. Isch sammel hier Nazi-Pilze. Die wandern bei misch inne Pfanne, mit Zwiebelschen. Und dann vernischte isch die, dat is escht lecker! So bekämpf isch den Faschismus!“ Er hat mir einiges über Pilze, Nazis und die Geschichte des ehemaligen Militärflughafens an der niederländischen Grenze erzählt. Solche Typen trifft man eigentlich nur bei Vollmond im Wald.

Zurück auf die andere Seite der B 221 zum Poelvennsee. Dort steht am nordwestlichen Ufer ein verlassenes Hotel-Restaurant. In den 70er und 80er Jahren bin ich dort oft mit meinen Großeltern gewesen. Wir fuhren Boot, beobachteten Frösche und verbrachten glühend heiße Hochsommertage im Seefreibad. Später machte ich auf dem großen Parkplatz erste Erfahrungen im Umgang mit einem Automobil. Ich war 15 und mein Opa fuhr damals einen gelben Opel Kadett. Schöne, bunte Erinnerungen, die mich auch Jahrzehnte später noch an den Geruch von Creme 21 und den, immer muffigen und Altbier trinkenden „Kapitän“ vom Ruderbootverleih denken lassen.

Hinter dem Parkplatz geht es von Poelvenn an der ersten oder zweiten Möglichkeit rechts ab. Beide Wege treffen nach ein paar hundert Meter aufeinander. Der Weg, der zuerst rechts abzweigt, führt durch den Wald und ist etwas holperig, bietet aber Gelegenheiten zum Seeufer zu gelangen. Die zweite Möglichkeit ist asphaltiert und führt am Waldrand entlang bis zur Flootsmühle. Hier geht es nochmals nach rechts und man überquert die Nette. Auch hier bietet sich wieder ein schöner Ausblick auf ein kleines Gewässer, bevor es durch den Wald zurück zur Jugendherberge geht.